Predigt über Lk 19,37-40 – Sonntag Kantate 2020

Liebe Gemeinde,

Und als er schon nahe am Abhang des Ölbergs war, fing die ganze Menge der Jünger an, mit Freuden Gott zu loben mit lauter Stimme über alle Taten, die sie gesehen hatten, und sie sprachen: Gelobt sei, der da kommt, der König, in dem Namen des Herrn! Friede sei im Himmel und Ehre in der Höhe!

Und einige von den Pharisäern in der Menge sprachen zu ihm: Meister, weise doch deine Jünger zurecht! Er antwortete und sprach: Ich sage euch: Wenn diese schweigen, so werden die Steine schreien. (Lk 19,37-40)

Ist das nicht genau der richtige Text für diesen ganz außergewöhnlichen Sonntag Kantate 2020:

Die Jünger singen und jubeln – und da kommen einige der Pharisäer zu Jesus und bitten ihn, seine Jünger doch zum Schweigen zu bringen. Ich unterstelle, dass diese Leute es gut gemeint haben: laut singen kann gefährlich sein. Die Obrigkeit könnte es hören und Anstoß nehmen. Und wahrscheinlich gefiel den Pharisäern auch nicht, was dort gesungen wurde: Jesus - ein König! Das bringt die Römer auf. Also: „Singen verboten!“.

„Vom Singen in  Gebäuden sollte Abstand genommen werden!“ So heißt es derzeit auch in den Empfehlungen der Nordkirche. Auch das ist gut gemeint und verantwortlich entschieden. Die Ansteckungsgefahr ist groß – gerade beim Singen! Zum Leidwesen unserer Kantoren und Kirchenchöre – EKDweit. Zum Leidwesen der Bachwoche, die in 5 Wochen beginnen sollte – und nun nur in einer digitalen Rumpfform stattfinden kann. Per Vidios über YouTube.

Denn: Singen ist gefährlich. Ansteckend. Weil man sich versammelt und sich nahe kommt und gegenseitig begeistert.

Und das galt offenbar auch schon zu Jesu Zeiten! Umso schlagfertiger Jesu Antwort an jene, die Gesang verbieten wollen:

„Ich sage euch, wenn die, die jetzt singen, schweigen, werden die Steine schreien.“

Was soviel heißt wie: Lautes Singen kann man unterbinden – aber das, was Menschen singen lässt, das setzt sich trotzdem durch – vielleicht um so lauter – vielleicht fangen diese Mauern an zu singen (auch hier im Dom) - und die Spatzen werden es von den Dächern pfeifen – und die YouTube Kanäle werden überquellen … Medien gibt es viele, die Begeisterung transportieren können – wenn Begeisterung dahinter steckt!

So wollen auch wir es halten – heute am Sonntag Kantate – „Singet!“ – wo es heißt: Singet nicht! – aber das macht nichts, denn die „Steine werden schreien“

Nämlich:

„Friede sei im Himmel und Ehre in der Höhe!“

Wenn das kein schöner Liedtext ist! Vielleicht der Songtext überhaut. Wann immer und wo immer gesungen wird – Musik gemacht wird – gejubelt wird – mit Rasseln und Klangstäben und Trompeten und wie auch immer: - da wird genau dies gemeint: Friede sei im Himmel und Ehre in der Höhe.

Und wie im Himmel also auch auf Erden: Friede auf Erden!  

Darum geht es am Sonntag Kantate: Singen für den Frieden – zur Ehre Gottes! Give peace a chance!

Liebe Gemeinde, was für eine Woche liegt hinter uns:

75 Jahre Kriegsende: mit schmerzhaften - und dankbaren – Erinnerungen an das Ende eines furchtbaren deutschen Irrweges. 8.Mai 1945: endlich Frieden! Aber um welch einen Preis. Millionen von Opfern. Ein zerstörtes Europa - und darüber hinaus!

Da war wohl niemandem zum Singen zu mute. Und doch wurde am 13. Mai hier im Dom Gottesdienst gefeiert! In einem Tagebuch habe ich den Eintrag gelesen: „13. Mai [1945] … St. Nikolai gut besucht, gute Predigt“

Was mag wohl damals gepredigt worden sein, im Greifswalder Dom – eine Woche nach Kriegsende?
Was mag gesungen worden sein? Ich kann mir vorstellen, wie gut es getan hat, singen zu dürfen – vom Frieden auf Erden.

Und wann, wenn nicht damals, konnte man davon reden, dass die Steine zu schreien beginnen – die Millionen zerbombten Häuser und Kirchen und Fabriken … Gott sei Dank, nicht in Greifswald – aber etwa in Demmin oder Pasewalk – ganz zu schweigen von Berlin und Dresden: schreiende Steine – an diese Ruinenfelder musste ich denken – bei diesem Satz.

Gott schenk uns deinen Frieden wie im Himmel so auf Erden!

Und heute blicken wir auf 75 Jahre Frieden in Europa (fast – wenn man vom Kalten Krieg – und vom Jugoslawienkrieg – und man anderen Feindseligkeiten absieht) – Frieden in Europa, das wir in diesem Gottesdienst besonders bedenken –

  • obwohl oder gerade weil Corona derzeit die europäischen Grenzen geschlossen hat
  • obwohl oder gerade weil Corona uns auch zeigt, wieviel wir verlieren, wenn jedes Land nur noch an sich denkt,
  • gerade weil Deutschland in dieser Woche die europäische Ratspräsidentschaft übernimmt: wir Deutschen mit unserer Geschichte! Was können wir in dieser Situation für Europa tun?

Liebe Gemeinde,

In der Mediathek der ARD habe ich den Gottesdienst verfolgt, der im Berliner Dom am 8. Mai gefeiert wurde.

Da war Corona-bedingt keine Gemeinde versammelt. Aber es wurde wunderbar gesungen – Knaben vom Staats- und Domchor Berlin (der im letzten Jahr hier zur Bachwoche gesungen hat) – die Kantorin der jüdischen Gemeinde von Berlin – Nun danket alles Gott alle Mitwirkenden gemeinsam.

Singen gehört zum Danken – und zum Glauben – und zum Frieden!

Und wenn es hier drinnen gemeinsam nicht geht – dann überlassen wir es nicht nur den Steinen und den Spatzen – sondern gehen nachher vor die Kirche und tun es unter freiem Himmel! Das ist erlaubt!

Und wir werden singen von dem Frieden Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft. Und dieser Frieden bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus unserem Herrn und Bruder.

amen

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