Passionsandacht am Mittwoch, den 8.4.2020 im Dom St. Nikolai: Am goldenen Kreuz im Hohen Chor

Cordula Ruwe, Besucherseelsorge

Seien Sie herzlich gegrüßt zur heutigen Passionsandacht unserer Domgemeinde St. Nikolai in Greifswald. Diese Mittwochsandacht ist für dieses Jahr die letzte der insgesamt 7 Passionsandachten, in denen wir an unterschiedlichen Orten unseres Kirchraums den Weg Jesu bis ans Kreuz bedenken. Heute, in der Karwoche, nehme ich Sie nun virtuell mit zum goldenen Kreuz im Hohen Chor.

Wer den Dom betritt und ins große Hauptschiff des Kirchraums geht, dem fällt gleich das mehrere-Meter-hohe Kreuz am Hochaltar ins Auge. Es strahlt mit seiner goldenen Farbe Wärme, Ruhe und Zuversicht aus, vor dem Hohen Chor mit dessen filigranen Details und der zurückgenommenen schlichten weiß-grauen Farbgebung. Dieses Kreuz ist ein sogenanntes Auferstehungskreuz, ohne Abbildung des Leibes Christi, die finden wir an anderer Stelle im Dom. Seit vielen Jahren schon wird zur Passionszeit das goldene Kreuz mit einem langen schwarzen Schal versehen und mit einer Dornenkrone, Symbole für Jesu Leiden und Sterben am Kreuz. Die Auferstehung ist zwar schon da, aber das Leiden und die Trauer sind ebenso Realität, schmerzliche Realität, die durchlitten sein will, wie auch vielerorts in diesen Tagen der Corona-Krise.

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber mich berührt jedes Jahr diese Zusammenschau von Schmerz und Herrlichkeit an diesem Kreuz. Ich kann mich mit meinem Leben hier ganz einfinden mit dem, was mich bewegt, was meine Geschichte ist, muss nichts verdrängen. Bei Gott darf alles sein, ist alles irgendwie gut aufgehoben, die Abgründe meines Lebens, der sinnlose Schmerz und die Verzweiflung und auch die überbordende Freude und Schönheit des Lebens. Ja, ich merke, dass ich das Dunkle überhaupt nur aushalten kann, weil das Helle doch auch immer wieder durchblitzt, der schwarze Schal verbirgt nicht alles, Goldenes blitzt durch, mehr noch: ist das festere, unverrückbare Material. Mit der festen Gewissheit auf die nachfolgende Auferstehung Jesu kann ich auf das Geschehen von Karfreitag - dem Gedenken der Kreuzigung Jesu - auch in dieser Corona-Zeit mit Trost zugehen.

In der Bibel lesen wir, dass Jesus selbst seinen Jüngern immer wieder sein Sterben und seine Auferstehung angekündigt hat, auch wenn sie es nicht verstanden haben. Er wusste, dass wir Menschen solch innerer Unterstützung bedürfen. Wir sind bedürftig, gerade im Schmerz, brauchen dort Gottes Nähe ganz besonders. Und wenn wir sie dann oft gerade nicht spüren können, der „schwarze Schal“ quasi unser Leben anscheinend ganz bedeckt? Dann gibt es Gottes unverbrüchliches Versprechen in Jesus, immer da zu sein, unabhängig von unseren Gefühlen; in der Bibel wird das folgendermaßen ausgedrückt: dass wir von Gott mit Gott versöhnt worden sind, „als wir noch seine Feinde waren“ (Römer 5,10). Alfred Delp, katholischer Priester, der 1945 vom Naziregime hingerichtet wurde, sagte: „Wir gehen nie allein. Gott geht alle Wege mit.“ Ich lade Sie ein, das Wagnis einzugehen, Gott seine Güte zu glauben, diesem ‚Durchblitzen des goldenen Kreuzes‘ in allem, auch dem Schweren zu vertrauen. Jesus hat es uns vorgemacht, es ist nicht immer ein leichter Weg, war es für ihn selber auch wahrlich nicht, doch er ist immer an unserer Seite. Noch einmal Alfred Delp, dessen Grabinschrift lautet: „Dem Leben trauen, weil Gott es mit uns lebt.“ Lassen Sie uns das gemeinsam versuchen, auch und gerade in dieser Zeit, und sei es uns vielleicht auch nur in tastenden, kleinsten Schritten möglich.

Wer das Evangelische Gesangbuch zuhause hat und singen mag:

Lied Nr. 171 „Bewahre uns Gott“.

Für die, die kein Gesangbuch zur Hand haben, schreibe ich im Besonderen Strophe 2 auf:

Bewahre uns Gott, / behüte uns Gott, / sei mit uns in allem Leiden. / Voll Wärme und Licht / im Angesicht, / sei nahe in schweren Zeiten, / voll Wärme und Licht / im Angesicht, / sei nahe in schweren Zeiten.

 

Seien Sie gesegnet (mit einem Segen aus der Iona-Liturgie):

Gott segne dich.
Gott halte dich fest in der Fürsorge des Geistes
und führe dein Leben in Liebe.
Möge Gottes Freundlichkeit aus unseren Herzen scheinen
und Christi Friede sich durchsetzen
an diesem und an jedem Tag
bis das größere Leben rufen wird.

Amen.

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