Gottesdienstimpuls Judika 2020 – 29.3.2020 Gerechtigkeit und Welthandel

„Dass Friede und Gerechtigkeit sich küssen“
Beate Kempf-Beyrich, Pastorin am Dom St. Nikolai

Begrüßung
Gott schaffe mir Recht (Ps 43)

Dieser Psalmvers hat dem heutigen 5. Passionssonntag seinen Namen gegeben: Judika. Seit Jahren ist es Tradition in der Nordkirche, an diesem Sonntag darüber nachzudenken, was gerecht ist. In diesem Jahr liegt der Schwerpunkt auf dem Thema: Gerechtigkeit und Welthandel. Gemeinsam mit der Katholischen Gemeinde und unseren Mitarbeiterinnen aus der Jugendarbeit haben wir diesen Gottesdienst vorbereitet. Auch die anderen Kirchengemeinden wollten zu diesem wichtigen Thema Gottesdienst feiern, danach war ein gemeinsames Mittagessen für alle Gemeinden im Dom geplant und viele schöne Stände vom NABU, dem Eine-Welt-Laden, dem Jugendprojekt u.s.w., um erfahrbar zu machen, an welchen Stellen wir hier vor Ort, in unserem persönlichen Leben umdenken können, damit es ein klein wenig fairer und gerechter wird in unserer Welt, besonders im Welthandel.

Der Coronavirus hat unser schönes Projekt und Zusammensein leider gestoppt (wir holen das im nächsten Jahr nach!), aber die Beschäftigung mit der Frage: Was ist gerecht? Wie können wir dazu beitragen, dass unsere Welt gerechter wird? … wird durch die weltweite Coronakrise eher noch dringlicher.

Deshalb will ich Ihnen und euch zum Sonntag Judika ein paar Bausteine zum Nachdenken mit auf den Weg geben.

Psalm  85, 9-14

Könnte ich doch hören, was Gott der Herr redet,
daß er Frieden zusagte seinem Volk und seinen Heiligen, damit sie nicht in Torheit geraten.
Doch ist ja seine Hilfe nahe denen, die ihn fürchten, dass in unserem Land Ehre wohne;
Dass Güte und Treue einander begegnen, Gerechtigkeit und Frieden sich küssen;
Dass Treue auf der Erde wachse und Gerechtigkeit vom Himmel schaue;
Dass uns auch der Herr Gutes tue, und unser Land seine Frucht gebe;
Dass Gerechtigkeit vor ihm her gehe
Und seinen Schritten folge.
        
Ehr´ sei dem Vater und dem Sohn und dem heiligen Geist. Wie im Anfang so auch jetzt und alle Zeit und in Ewigkeit Amen
 

Kyrie – (d.h. Herr erbarme dich)

Gütiger Gott:
Das Leben macht uns Angst,
besonders in Krisenzeiten, wie im Moment.
Wir fühlen uns hilflos, machtlos.
Wir tragen Verantwortung
und sehen doch kaum, wohin unsere Entscheidungen führen.
Wir wollen das Beste für unsere heutige Welt
und kennen oft nur die Maßstäbe von gestern.
Aus Angst, Fehler zu machen,
lassen wir alles beim Alten.
Aber wie kann das Leben so gelingen?
Darum, gütiger Gott, erbarme dich unser.

Predigtgedanken zu Micha 6,8

Liebe Gemeinde,

Was ist gerecht in unserer Welt? Haben wir in unserer Wohlstandsgesellschaft noch im Blick, was hinter den Kulissen der Weltwirtschaft geschieht? Nehmen wir uns beim Einkaufen die Zeit, darauf zu achten, dass die Produkte, die wir kaufen fair gehandelt sind, oder ob sie ökologischen Standards entsprechen? Fragen wir nach, was die Bank unseres Vertrauens wirklich mit unserem Geld unterstützt? All diese Fragen stellt uns das Thema dieses Sonntags Judika: „Schaffe mir Recht!“

Wenn ich aus dem Fenster auf die leeren Strassen und Plätze schaue, habe ich den Eindruck, als ob sich unsere Erde selbst eine Verschnaufpause vor uns Menschen verschafft hat. Das, was kein Erlass, keine Klimakonferenz, keine Fridays-for-future Demo geschafft hat, bewirkt ein kleines Virus: Die Welt hält den Atem an.

Schon jetzt ist klar, dass wir in 2020 viel weniger CO2 verbraucht haben werden und dass die Müllberge geringer ausfallen. Natürlich geschieht das nicht freiwillig und wir alle hoffen, dass sich viele der rigiden Maßnahmen bald wieder lockern und dass vor allem die Sterbezahlen möglichst niedrig bleiben und die Kranken gesund werden.

Aber so schlimm diese Krise uns getroffen hat: die Menschen kommen zum Nachdenken und fragen sich, ob unsere sich stetig intensivierende Globalisierung der Wirtschaft und unser Mobilitätswahn nicht solch eine Krise noch beschleunigen und verschlimmern. Eigentlich wissen wir es doch schon lange, dass unser Lebensstil nur auf Kosten von Anderen und auf Kosten der Umwelt so funktionieren konnte.

Der Prophet Micha im Alten Testament hat schon vor vielen tausend Jahren seinem Volk folgende Ratschläge in einer Krisenzeit gegeben:

„Es ist Dir gesagt Mensch, was gut ist und was der Herr von dir fordert, nämlich Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott“

Eigentlich wisst Ihr doch, worauf es ankommt, sagt Micha. Manchmal brauchen wir ein Innehalten, eine Not-bremsung, um wieder klarer zu sehen, was zu tun ist, was unsere Welt braucht, was gut ist für Mensch und Tier. Nämlich:

Gottes Wort halten:

Wenn wir beherzigen, was in der Bibel steht, dann würde es unserer Schöpfung besser gehen, und es ginge gerechter zu. Angefangen mit dem Schöpfungsauftrag: „Und Gott der Herr nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, dass er ihn bebaute und bewahrte“. (1 Mose 2,15)

Das Bebauen hat der Mensch gut hinbekommen. Das mit dem Bewahren ist offensichtlich überlesen worden.

Vielleicht können wir aus der gezwungenen Atempause einen langfristigeren verantwortlichen Umgang mit der Erde werden lassen!

Liebe üben:

Du sollst deinen Nächsten lieben, wie dich selbst. Das kann man auf vielfältigste Weise, auch „kontaktlos“. Ich bin beeindruckt, wieviel Liebesbeweise sich Menschen in dieser Ausnahme-situation zukommen lassen. Von Telefon- und Videobotschaften bis zu Blumen vor der Tür, Menschen die für Ältere und Kranke einkaufen. Briefe und Päckchen. Viele haben im Moment mehr Zeit und nutzen sie, um alte Freundschaften wieder aufleben zu lassen.

Liebesdienste dürfen sich aber nicht auf unsere Nächsten beschränken. Es gibt in dieser Krise viele Hilfsbedürftige und Verzweifelte auch außerhalb unseres Landes, die wir nicht vergessen dürfen, weil wir das Gefühl haben, wir hätten mit unserem persönlichen Leben genug zu tun. Menschen, die z.B. auf den griechischen Inseln in Flüchtlingslagern leben und verzweifelt schreien: Schaffe mir Recht! – und keiner hört sie. Möge Gott dort eine humanitäre Katastrophe verhüten und möge er die Ohren der Verantwortlichen öffnen, damit diese Lager so schnell es geht aufgelöst werden.

Demütig sein vor deinem Gott:

Vielleicht ist das der wichtigste Ratschlag. Wir haben uns in vielen Bereichen selbst zu Gott gemacht. Wir organisieren unser Leben, wir machen Pläne, als würden wir ewig leben, wir haben eigentlich unser Leben im Griff. Eine Situation, wie wir sie gerade erleben, zeigt uns, wie wenig wir wirklich vermögen.

Ich habe einen eindrücklichen und bewegenden Bericht eines jungen italienischen Arztes gelesen, der die chaotischen Zustände in seinem Krankenhaus schildert. Er schreibt, dass er als überzeugter Atheist in dieser schwierigen Situation durch einen alten Priester, der als Patient mit seiner Bibel ins Krankenhaus kam, wieder zu Gott gefunden hat. Er hat erfahren, dass er selbst und all die anderen Helfer sich als hilflos und erschöpft erleben: der Priester hat in dieser Situation anderen kranken Menschen und den Ärzten Mut und Frieden gegeben. Er schreibt: „Wir brauchen Gott – und bitten ihn um Hilfe“

Wie gut, dass wir in schwierigen Lebenssituationen Gott an unserer Seite wissen. Das wird uns auch Kraft, Mut und Kreativität geben nach der Krise vielleicht sogar eine gerechtere Welt wiederaufzubauen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus unserem Herrn.

Amen

Fürbitte:

Gott,

Wir leben in bewegten Zeiten und erfahren,
dass Gewohntes in Frage gestellt wird,
dass Lieferketten unterbrochen werden und Werke stillstehen.
Gott, wir sind voller Sehnsucht nach einer gerechteren Welt,
in der Menschenrechte und Umweltstandards gelten.

Begleite uns durch diese weltweite Krise und öffne uns die Augen und Hände für Veränderungen nach der Bewältigung der Krise

Wir bitten Dich für alle, die für uns da sind:
für die mutigen und ausdauernden Helferinnen,
für Pflegende, Ärzte, Verkäuferinnen
für alle Einsatzkräfte und Menschen in verantwortlichen Positionen.

Wir bitten dich, behüte alle mit denen wir verbunden sind

 – in der Nähe und in der Ferne.
Halte sie gesund, ihre Seele und ihren Körper.
Gott leite uns durch die kommende Zeit.

Wir beten gemeinsam:
Vater Unser im Himmel …

Segen:

Gott schenke uns Frieden und umhülle uns mit dem Mantel der Gerechtigkeit
Dass uns und allen Geschöpfen Luft zum Atmen bleibt,
dass uns und allen Geschöpfen Mut für die Gegenwart bleibt,
dass uns und allen Geschöpfen die Erde zum Leben bleibt.
Gott, segne und behüte uns und alle Geschöpfe

Amen

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